
«Während Zölle Anlass zur Sorge geben, glauben wir, dass die Mehrheit der Gesundheitsunternehmen über das Kapital, die Flexibilität und die Margen verfügt, um mit dem sich wandelnden Umfeld zurechtzukommen.»
Der Gesundheitssektor ist stark ins Jahr gestartet und hat den Gesamtmarkt zunächst übertroffen. Dann folgten im April Marktturbulenzen, ausgelöst durch Präsident Trumps Ankündigung von Zolltarifen – Massnahmen, die mittlerweile weitgehend zurückgenommen wurden. Wie hat sich der Gesundheitsmarkt in diesem Umfeld behauptet?
Trotz erheblicher Marktschwankungen und gezielter Störfaktoren etwa durch politische Tweets mit Bezug zum Gesundheitssektor, hat sich der Sektor seit dem sogenannten «Liberation Day» (2. April; -5,3 % für globale Aktien und den Gesundheitssektor bis zum 11. April) im Gleichschritt mit den globalen Aktienmärkten bewegt. Angesichts der anhaltenden Debatten rund um die FDA und die Zollsituation ist das durchaus bemerkenswert. Doch auf Sektorebene zeigt sich eine grosse Diversität, die wesentlich zur stabilen Performance beigetragen hat – insbesondere während mehrerer Marktrotationen. Seit Jahresbeginn liegt der Sektor nun leicht im Minus (-1,4 %), bleibt jedoch ein klarer Outperformer gegenüber dem breiteren Markt (globale Aktien: -6 % YTD).
Vor dem Hintergrund der anhaltenden politischen, regulatorischen und makroökonomischen Unsicherheiten stellt sich die Frage: Wie ist der aktuelle Stand des Gesundheitssektors zu bewerten – und wie reagiert die Branche auf diese Entwicklungen?
Obwohl pharmazeutische Produkte derzeit von Zöllen ausgenommen sind, gehen wir davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu Reformmassnahmen kommen wird. Dies könnte durch Fragen zu den Verrechnungspreisen zusätzlich erschwert werden, doch das Ziel ist es, die Produktion in die USA zurückzuholen. Die Trump-Regierung erachtet dies als attraktiv – einerseits aufgrund der hochwertigen Industriearbeitsplätze, andererseits aus Gründen der nationalen Sicherheit. Für grosse Pharmaunternehmen dürfte eine schrittweise Rückführung von Produktionskapazitäten in die USA stellt keine unüberwindbare Hürde dar – auch wenn die Umsetzung mehrere Jahre dauern würde. Johnson & Johnson, Eli Lilly und Novartis haben kürzlich neue Produktionsprojekte in den USA angekündigt.
Zudem rechnen wir damit, dass die Trump-Regierung weitere Wege prüft, um die Arzneimittelpreise in den USA zu senken. Ein mögliches Instrument dafür wäre eine Rückkehr zum «Most-Favored-Nation»-Prinzip (MFN) – einer älteren Idee Präsident Trumps. Derzeit liegen jedoch nicht genügend Informationen vor, um dies abschliessend beurteilen zu können.
Die Auswirkungen von Zöllen auf den nicht-pharmazeutischen Gesundheitsbereich sind vergleichbar mit jenen in anderen Branchen – mit dem Vorteil, dass dieser Teil des Sektors über relativ hohe Margen verfügt.
Gleichzeitig lohnt sich ein Schritt zurück, um das grössere Bild zu betrachten. Angesichts zunehmender Risiken und wachsender Zweifel am zukünftigen Wirtschaftswachstum in den USA halten wir die Erträge und Cashflows von Gesundheitsunternehmen weiterhin für berechenbarer als in den meisten anderen Sektoren. Das entspricht auch der zentralen Eigenschaft des Sektors: die unelastische Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und -produkten – unabhängig vom Konjunkturzyklus. Etwas mehr Klarheit in Bezug auf mögliche Pharmazölle würde diese Einschätzung zusätzlich stützen.
Lieferkettenstörungen haben bereits viele Branchen vor Herausforderungen gestellt und dürften sich weiter verschärfen. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen auf Gesundheitsunternehmen, insbesondere in der Medizintechnik und der biopharmazeutischen Produktion?
Versorgungssicherheit ist aus unserer Sicht ein zentrales Thema im Gesundheitssektor. Mit zunehmender Komplexität von Medikamenten und medizinischen Geräten steigen auch die Anforderungen an die Produktion – ebenso wie die Anforderungen an die Lieferketten. Auch wenn Zölle gewisse Sorgen bereiten, sind wir der Ansicht, dass die Mehrheit der Gesundheitsunternehmen über das nötige Kapital, die Flexibilität und ausreichend hohe Margen verfügt, um mit dem sich verändernden geopolitischen Umfeld umzugehen. Bei komplexeren Arzneimitteln findet die Produktion häufig in Ländern mit hohen Lebenshaltungskosten statt – wie den USA, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich. Im Falle biologischer Arzneimittel würden Zölle daher vor allem Einfluss darauf nehmen, wo künftig zusätzliche Investitionen (Capex) getätigt werden. Darüber hinaus sehen wir Chancen bei Auftragsherstellern, von denen einige über ungenutzte Kapazitäten verfügen, die in den USA kurzfristig einsatzbereit wären.
Wie haben Sie Ihr Portfolio während der jüngsten Turbulenzen gemanagt?
Diversifikation ist der zentrale Leitgedanke unserer Anlagestrategie – und genau darauf haben wir auch in den vergangenen Monaten konsequent gesetzt. Der Sektor bietet eine Vielzahl an attraktiven Anlagemöglichkeiten: von wachstumsstarken, disruptiven Unternehmen in China bis hin zu defensiven Mega-Caps in Europa. Wir haben unsere breite Diversifikation über Subsektoren, Anlagestile und Regionen beibehalten. Das hat uns geholfen, die jüngsten Turbulenzen gut zu überstehen.
Wie schätzen Sie die Widerstandsfähigkeit des Gesundheitssektors im Vergleich zu anderen Branchen ein?
Der Gesundheitssektor profitiert von einer strukturell unelastischen Nachfrage nach seinen Produkten und Dienstleistungen. Ein Grossteil der Erträge von Gesundheitsunternehmen basiert auf einer Nachfrage, die nicht optional ist. Wenn jemand einen Herzinfarkt erleidet oder eine Krebsdiagnose erhält, wird medizinische Hilfe unabhängig von der wirtschaftlichen oder politischen Lage in Anspruch genommen. In vergangenen wirtschaftlichen Abschwüngen zeigte sich der Sektor daher bemerkenswert stabil – sowohl bei der Nachfrage als auch bei der Finanzierung. Zudem liegt es nicht im Interesse irgendeiner Regierung, die Versorgung ihrer Bevölkerung mit Gesundheitsprodukten wesentlich zu gefährden. Daher gehen wir von einer stabilen Angebots- und Nachfragesituation im Gesundheitssektor aus und sind überzeugt, dass Unternehmen in dieser Branche weiterhin einen positiven Mehrwert für Patienten und Aktionäre schaffen können.
Mit Blick auf Ihre Anlagestrategie: Ihr Portfolio setzt auf sogenannte ‚High-Conviction‘-Titel. Nach welchen Kriterien identifizieren Sie diese Unternehmen und wie steuern Sie die Risiken?
Unser Team besteht aus Portfoliomanagern und Analysten, die Unternehmen nach dem Bottom-up-Ansatz eingehend analysieren. Wir sprechen regelmässig mit den Unternehmensführungen und nehmen an Fachkongressen teil. Mit einer Mischung aus branchenspezifischen Kennzahlen (KPIs) und Bewertungskennzahlen ermitteln wir erstklassige Unternehmen mit angemessenen Bewertungen. Diese Qualitätsmerkmale bilden die Grundlage für unsere Auswahl sogenannter High-Conviction-Titeln.
Wie sorgen Sie für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen etablierten Pharmariesen und kleineren, wachstumsstarken Biotechunternehmen sowie Non-Drug-Unternehmen wie Medizintechnik und Gesundheitsdienstleistungen, um sowohl Stabilität als auch Innovationsstärke sicherzustellen?
Wir suchen Aktien gezielt auf der Grundlage ihrer jeweiligen Fundamentaldaten und der Stärke ihrer Endmärkte aus. Unser Fokus liegt auf Innovationen in verschiedensten Segmenten des Gesundheitswesens und den damit verbundenen Opportunitäten. Anleger profitieren davon, dass wir ein breites Spektrum verschiedener Gesundheitsaktien haben und dass diese sich in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus oft unterschiedlich entwickeln. Diese breite Streuung der Anlagechancen zählt für uns zu den besonderen Stärken des Sektors und des Bellevue Diversified Healthcare Fonds. Im Rahmen der Stabilitäts- und Risikokontrolle analysieren wir laufend die geografischen Regionen, Subsektoren, Marktkapitalisierungen und Anlagestile. Zur Sicherstellung von Diversifikation und Stabilität halten wir das Gleichgewicht verschiedener Portfolio-Metriken innerhalb bestimmter Toleranzbereiche. In diesem Rahmen setzen wir High-Conviction-Positionen in Bezug auf Geschäftsmodelle oder spezifische Endmärkte.
Erwarten Sie eine weitere Konsolidierung im Gesundheitssektor, insbesondere im Biotechsektor, weil Schwergewichte versuchen, ihre Pipelines durch Übernahmen zu optimieren?
Die Nachfrage, die finanziellen Mittel und das Regulierungsumfeld für eine weitere Konsolidierung sind unseres Erachtens vorhanden. Dabei dürfte der Trend eher in Richtung gezielter, ergänzender Akquisitionen gehen als in Richtung gross angelegter Megafusionen, die sich rückblickend häufig als wertvernichtend erwiesen haben. Wir sind zuversichtlich, dass 2025 ein gutes Jahr für M&A im Gesundheitssektor wird, auch wenn sich der Schwerpunkt angesichts kurzfristiger Unsicherheiten vermutlich ins zweite Halbjahr verlagern dürfte. Angesichts möglicher Zölle ist es zudem denkbar, dass grössere Unternehmen alternative geografische Vertriebs- und Produktionskapazitäten durch Übernahmen sichern möchten.
Welche wichtigen Themen und Wachstumstreiber werden Ihrer Meinung nach in den nächsten 12-24 Monaten die Investmentlandschaft im Gesundheitssektor prägen?
Der Gesundheitssektor vereint auf einzigartige Weise Defensivqualitäten, Innovationskraft und strukturelles Wachstum. Als global aufgestellter Sektor kann er in verschiedenen Phasen des Konjunkturzyklus attraktive Anlagechancen bieten. Gerade im aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld halten wir Diversifikation für den entscheidenden Erfolgsfaktor der nächsten 12–24 Monate. Wir befinden uns in einer Zeit erhöhter Unsicherheit. Wir investieren in erstklassige Unternehmen entlang des gesamten Gesundheitsmarkts, betreiben aber gleichzeitig ein diszipliniertes Risikomanagement, um eine gezielte Diversifikation über Subsektoren, Anlagestile, Unternehmensgrössen und Regionen hinweg sicherzustellen. Wir schätzen disruptive Innovationen und wollen flexibel an Schlüsselthemen der Gesundheitsversorgung partizipieren. Gleichzeitig setzen wir auch auf die Stabilität etablierter Qualitätsunternehmen – mit verlässlichen Cashflows, solidem Wachstum und steigenden Dividenden.